Weihnachten bei homunculus

Dickens-Weihnachtsgeschichte1Die Charles-Dickens-Weihnachtsgeschichte, Charles Dickens
homunculus verlag, 2015

Zu gern würde ich diese Weihnachtsklassiker-Ausgabe uneingeschränkt empfehlen, gemeinsam mit einem Verlag, der diesen Herbst seine Neugründung bekannt gegeben hat. Womöglich ist es aber eben dessen Credo, „Druckwerke und ihre digitalen Pendants in besonderer Qualität zu produzieren“, welches ich zumindest anhand dieser Neuerscheinung nicht unterschreiben kann.* Es folgt: eine Empfehlung mit Vorbehalten.

Wer bei der Sonderausgabe der Charles-Dickens-Weihnachtsgeschichte besondere buchgestalterische Qualität erwartet, der wird zunächst enttäuscht. Statt schmuckvollem Einband, hält der Betrachter einen Pappband in den Händen, dem sich keine außergewöhnliche Haptik zusprechen lässt und auf dem der Titel noch dazu nur schwer zu entziffern ist. Und auch bei eingehender Betrachtung der Gesamtgestaltung fühle ich mich eher an einen preisgünstig erstandenen Titel aus dem Modernen Antiquariat erinnert.

So irritieren beispielsweise beim Öffnen des Buches die mindestens vier verschiedenen Schriftarten der Titelei. Zwar wurden diese in Anlehnung an die Originaltitelei der Erstausgabe von 1843 gewählt, wirken jedoch im Kontext der Neuausgabe – die unter anderem auch ein modernes Verlagslogo und einen QR-Code aufweist und buchgestalterisch ganz offensichtlich einem anderen Zeitalter entstammt – seltsam unmotiviert und unpassend.

Womöglich lassen sich die typografischen Entscheidungen bei dieser Ausgabe mit einem Zitat aus Friedrich Forssmans Wie ich Bücher gestalte kommentieren:

„Beim Spiel mit historischen Anklängen geht es […] nicht um perfekte Imitation der Vorbilder der zitierten Zeit. Eine vollkommene Nachbildung ist nicht möglich, und sie ist nicht wünschbar. […] Das Vergnügen des Gestalters besteht bei diesem ernsten Spiel darin, dem Buch (und dem Leser) das richtige Maß von Zeitkolorit zu geben – wir transportieren den historischen Text in unsere Zeit.“

Das scheint im Fall der Charles-Dickens-Weihnachtsgeschichte von homunculus nicht gelungen. Daran ändern auch eine hochauflösende Karte des viktorianischen London sowie eine Aufnahme des traditionellen Weihnachtslieds God Rest You Merry Gentlemen nichts, die dem Buch per DLC-Code (Download Content) zur Seite gestellt werden. Der Verlag spielt zwar erfolgreich mit den modernen Kombinationsmöglichkeiten von On- und Offline-Rezension, kann dadurch aber kaum zur Magie des physischen Buches beitragen.

Der Text nach deutscher Erstübersetzung von Edward Aubrey Moriarty (gänzlich neu überarbeitet von Laura Jacobi) wird von acht Original-Illustrationen von John Leech und 20 weiteren zeitgenössischen Abbildungen begleitet. Diese illustrieren die Handlung treffend, fallen jedoch an vereinzelter Stelle etwas „aus dem Rahmen“, indem sie gefährlich nah an den Vorderschnitt des Buches geraten.

Dickens-Schoolroom1

Was bleibt also? Natürlich der Inhalt dieser wunderbar klassischen Weihnachtsgeschichte rund um den Misanthropen Ebenezer Scrooge, der über die Weihnachtsnacht zu einem Gutmenschen wird, in – soweit ich das beurteilen kann – tadellos bearbeiteter Übersetzung. Und, was die Gestaltung angeht: ein Mangel an Alternativen. Denn wer nicht viel Geld für eine Original- oder Erstausgabe des Klassikers von Charles Dickens in die Hand nehmen möchte, der wird außerhalb der für Kinder illustrierten Ausgaben allenfalls noch bei einer, immerhin interessanten Ausgabe der Insel-Bücherei fündig.

Die Ausgabe von homunculus würde ich Lesern empfehlen, die vor allem an der Weihnachtsgeschichte selbst interessiert sind und die an den Illustrationen sowie den beigefügten „Download-Gadgets“ ihre Freude haben. Außerdem nehme ich mir vor, das Programm des Verlags im Auge zu behalten. Wer weiß, vielleicht habe ich beim nächsten Mal mehr Glück?

*Ich möchte betonen, dass sich meine Einschätzung ausschließlich auf die physische Ausgabe des Buches bezieht, die Bewertung des E-Book-Formats bliebe an dieser oder anderer Stelle noch zu ergänzen.

2 Gedanken zu “Weihnachten bei homunculus

  1. Huhu,

    wow das ist aber eine schöne Ausgabe. Ich lese eine Weihnachtsgeschichte auch immer wieder gerne. Kann gar nicht genau sagen, wie oft ich sie schon gelesen habe. Es ist irgendwie so wie mit dem Film Kevin allein zu Hause, ich brauche es um in Weihnachtsstimmung zu kommen 😉 Einen tollen Blog hast du da, ich komme wieder! lg

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